Am Samstag, 11. November 2023 fand das zweite Elternforum statt. Das Thema des diesjährigen Anlasses war «Ablösung von zuhause». Vor vollbesetzten Rängen eröffnete der neue Geschäftsleiter von Procap Nordwestschweiz, Hanspeter Wäspi, das zweite Elternforum mit den Worten, er selbst sei vom aktuellen Thema auch betroffen, da er bei sich zuhause einen Sohn bzw. einen jungen Mann mit Behinderung habe. Im Anschluss machte die Referentin und Heilpädagogin Eva Ruchti klar, dass Ablösung keine Phase ist, die irgendwann abgeschlossen sei, sondern dass es sich dabei um einen lebenslangen Prozess handelt. Sie erwähnte dabei die verschiedenen Phasen vom ersten Ablösungsprozess beginnend beim Spitalaufenthalt in der Neonatologie, über das erste Schullager und den Auszug aus dem Elternhaus bis zur Familiengründung des Kindes. Zum Schluss rief sie die Zuhörerschaft in Erinnerung: «Ablösung ist immer eine Gratwanderung zwischen Fürsorge und Selbstbestimmung des Kindes». Nach einer kleinen Umbauphase begrüsste Regula Späni, die bekannte, ehemalige SRF-Journalistin, die Teilnehmenden auf dem Podium.
Eine Mutter, die ihr schwerstbehindertes Kleinkind bereits sehr früh in eine Institution gegeben hat, riet den Eltern doch auch mal beide Augen zu zudrücken und die Verantwortung an die Fachleute abzugeben, «auch wenn es nie so sein wird, wie wenn es Mami oder Papi machen». Eine andere Mutter, die mit ihrer 19jährigen Tochter zusammenwohnt, erwähnte, dass ihr Kind zwar ihr Hauptjob sei, aber sie zwischendurch auch ihre Freiräume hätte.
Der inzwischen erwachsene und berufstätige Mann im Rollstuhl, erzählte eindrücklich, dass die damals abrupte, unvorbereitete und unbegleitete Ablösung von zuhause noch heute Auswirkungen auf seine Psyche habe. Auf die Frage der Moderatorin, ob Eltern von Kindern mit Behinderungen bei Ablösungsprozess nicht immer auch ein schlechtes Gewissen haben, antwortet die eine Mutter bejahend, dass dies wohl zum ganzen Leben dazu gehöre.
Eine frühzeitige Ablösung ist wichtig
Interessant waren auch die Voten aus dem Publikum. So meldete sich eine Frau aus dem Publikum und sagte: «Oft ist es leider so, dass nicht das Kind, sondern die Eltern Probleme bei der Ablösung haben». Eine frühzeitige Ablösung müsse also auch im Interesse der Eltern sein. Sie riet den Eltern auch in ihrem eigenen Interesse die Kinder ziehen zu lassen, wenn diese dazu bereit seien. Eine alleinerziehende Mutter wiederum meinte, dass sie ihr behindertes Kind nie das ganze Leben pflegen möchte, zumal es heute mit der Assistenz neue Möglichkeiten der Betreuung gebe.
Schlussendlich spielen beim ganzen Ablösungsprozess viele Emotionen ineinander. Das bestätigte einmal mehr auch das zweite Elternforum, an dem sich engagierte Eltern im Plenum zu Wort meldeten. Eine Mutter aus dem Publikum sagte zum Schluss der Veranstaltung, sie sei jeweils von «Schmerz, aber auch Freude und Stolz erfüllt sei, dass ihre Tochter nach der Ablösung nun gut unterwegs sei». Ein treffenderes Schlusswort für dieses wiederum gelungene Elternforum ist kaum denkbar.
Hier können Sie die Präsentation der Referentin Eva Ruchti herunterladen